Von Frau Holle hat wohl jeder von uns schon einmal gehört, die meisten von uns kennen sie natürlich aus dem gleichnamigen Märchen. Aber sie ist weitaus mehr als nur eine ältere Frau, die hin und wieder ihre Betten ausschüttelt um es schneien zu lassen. Ihren Ursprung hat diese Figur vielmehr in einer Göttin, einer großen Erd- und Himmelsmutter. In alten Tagen wurde sie Holda gerufen, was soviel wie die Glänzende, die Leuchtende, die Freundliche oder die milde und gnädige Göttin bedeutet. Sie ist die Wächterin über das Wetter, die Wolken, den Wind und den Regen*, Hüterin der Erde mit all ihren Flüssen und Seen, Quellen und fruchtbaren Waldebenen. Auch als Be-Hüterin des Hauses und der Schwellen steht sie für Licht, Fruchtbarkeit und die Dunkelheit zugleich. Der Grundgedanke dieser Muttergöttin ist die alles ernährende und fruchtbare Natur, die Leben spendet, aber gleichzeitig auch zerstörende Kräfte wirken kann.
Sie ist im deutschen Sprachraum noch unter vielen anderen Namen bekannt. Je nach Gebiet wurde sie Frau Holle, Hulle (mittl. Deutschland), Haulemutter (Harz), Wolle, Wulle (Thüringen), hier kommt auch vermutlich der bekannte Lockruf der Gänse her, „wulle wulle Gänschen“ (Gänse und Frau Holle haben auch eine enge Verbindung). Sehr bekannt ist sie als Bertha oder Perchta (aus dem süddeutschen Raum, wie Bayern usw).
Man findet sie auch als Teil der wilden Horde, die zu den Rauhnächten über den Himmel zieht und die Seelen der Menschen einfängt. Sie fährt oft auf einem Wagen (den Wolken), der von Gänsen und Ziegen gezogen wird über den sturmgepeitschten Himmel und daher wird sie auch Wolkengöttin, Windsbraut oder Sturmesgöttin genannt. ** Und Stürmisch sein kann sie wirklich gut, wie ich finde. Der Glaube an ihre wilde Jagd über den Wolkenhimmel spiegelt sich auch in den sogenannten Hexenfahrten wider. Die Wolkengöttin soll so ihre dunkle unheimliche Seite zeigen und im Laufe der christlichen Verunglimpfung wird die Göttin Holda auf diese Weise zur reinen Unholdin. So, wie dann auch die Hexen zu Unholdinnen wurden – als die Gefährtinnen der Holda.
Die wilde Wolkengöttin ist aber auch die Himmelsgöttin und steht in Beziehung zur Sonne, die durch die Wolken hindurch scheint. Dann hat sie im Volksglauben langes, goldenes Haar und trägt ein blaues Gewand (das Himmelsblau). Die Parallelen zur christlichen Muttergöttin Maria oder zur nordischen Frigg werden hier ein wenig erkennbar.
Im alten Volksglauben war oder ist Mutter Holle überall präsent. Ob es nun die Tautropfen auf den Rosenblüten sind, Frau Holle hängt dort ihren Schleier zum Trocknen auf, oder wenn man die kleinen weißen Schäfchenwolken am Himmel sieht, treibt Frau Holle ihre Schafe aus. Früchte, wie zum Beispiel die Erdbeere sollen in Beziehung zu ihr als Sommergöttin stehen. Und wenn der Wind sanft über die reifen Flachs- und Getreidefelder streicht, dann ist Mutter Holle dort zugegen und schreitet durch die Felder. Sie ist also die fruchtbringende und segnende Naturmacht.
Als Muttergöttin hütet sie besonders die weibliche Seite des Lebens. Sie sammelt und beschützt die ungeborenen Kinderseelen in Brunnen und Seen, aus welchen dann der Storch sie holt und zu der jeweiligen „werdenden Mutter“ bringt. Ein Brauch war es z.B. in einer Vollmondnacht nackt und schweigend in einem Teich, Brunnen oder See zu baden um schwanger zu werden***.
Im häuslichen Bereich galt die Holle als Hüterin. Sie ist unter anderen die Hüterin des Herdes, welcher in früheren Zeiten bekanntermaßen eine sehr wichtige Rolle spielte. Der Herd war der Mittelpunkt des Hauses, hier spielte sich das ganze Leben und Wirken der Familie ab. Dieser Platz wurde der Frau des Hauses zugedacht, sie war es, die die Flamme am Leben erhielt. Der Raum hinter dem Herd/Ofen wurde daher Helle oder Hölle genannt (allgemein wird ja der Name der Totengöttin Hel als Ursprung des Wortes Hölle angenommen, dies bietet nur eine alternative Deutung an)
Ein weiterer symbolischer Zusammenhang zur Göttin wird durch das Spinnen ausgedrückt. Das Spinnrad oder auch die Spindel wird in vielen Märchen mit Frau Holle in Verbindung gebracht, wie zum Beispiel im Grimmschen Märchen von Dornröschen, etc..
Das Spinnen und Weben von Fäden ist in magischer Hinsicht von großer Bedeutung. Hier wird nicht nur eine Faser oder ein Faden gesponnen, sondern auch magische Reime und Zaubersprüche. Ob nun zur Heilung, für eine Verbindung oder eben auch zum ‚Verhexen‘ selbst; wir weben Magie mit Frau Holles Zauberspindel.
Leider kommt es aber hier auch zu einer Überlagerung mit dem christlichen Aberglauben, denn in den Zeiten der Angst vor Hölle, Teufel und Dämonen wurde auch Frau Holle zu einer wilden und bösartigen Furie herabgewürdigt.
Man glaubte, dass Frau Holle, wenn sie als wildes Weib in den Rauhnächten durch die Lüfte zog (wie schon erwähnt die wilde Horde oder Jagd), sie in die Spinnstuben blicke, ob die Mädchen fleißig ihre Rocken bis zum Dreikönigstag abgesponnen hatten. Wenn dem dann nicht so war, würde sie herbeikommen und den „Faulen“ das Gesicht zerkratzen oder die Hände verbrennen. Oder aber den Rocken beschmutzen, so dass er nicht mehr zu gebrauchen wäre (Der Flachs am Rocken heißt mancher Orts übrigens Holle).
Natürlich ist das ein patriachalisch geprägter Aberglaube zur Einschüchterung einfacher Gemüter, der Blödsinn ist und so gar nichts mit dem Grundwesen der Muttergöttin gemein hat. Aber das ist ja nichts Neues.
Die Göttin Holle steht aber als die alles ernährende mütterliche Natur auch für das Ende eines Lebenskreislaufes. So wie sie für Fruchtbarkeit und Geburt steht, steht sie natürlich genauso für den Tod. Alle Seelen die durch sie geboren werden (egal ob getauft oder nicht) gehen wieder zurück zu ihr. Und so wird sie zur Todesgöttin, die ja vielen in anderen Glaubensrichtungen als Göttin Hel bekannt war (hier dürfen sicher etymologische Gemeinsamkeiten angenommen werden). Und als Solche erscheint sie im alten Aberglauben besonders gern an Wegkreuzungen (Verbindung zu Hekate) und hält den Lebenden ein schwarzes Tuch (in Form einer dunklen Wolke) vor. Wenn der Wanderer das Tuch annimmt, so muss er im selbigen Jahr sterben und mit der Holle oder eben der Hel in deren Reich mitgehen. Ruft der Lebende aber schnell; “ Frau Perth, Frau Perth wirf das Tüchlein auf die Erd`„, so darf er am Leben bleiben und darf glücklich seines Weges ziehen.
Der bekannte Hollerbaum (heute meist Hollunderbaum genannt – der Name spricht für sich selbst) gilt als heiliger Baum der Göttin, der viel Zauberkraft und natürlich auch Heilkraft in sich birgt. Und wer ihn fällt, zieht möglicherweise den Zorn der Göttin auf sich. Die dichten und dornigen Brombeerbüsche sowie die Hagebuttenbüsche sollen der Eingang zu Holles Reich sein. All diese Pflanzen besitzen Heil- und magische Eigenschaften.
Nachdem Frau Holle im Laufe der Zeit immer mehr zur wilden und wüsten Unholdin herabgesetzt worden war, gingen sehr viele ihrer guten und magischen Eigenschaften auf die im christlichen Glauben verehrte „Mutter Maria“ über. Sie soll ja im patriachalen, christlichen Glauben nur die Mutter eines Gottkindes sein. Aber das, was durch die Maria verkörpert wird, ist mit Sicherheit viel älter als das Christentum es uns weismachen will, aber das ist ein anderes Thema.
Auch Frau Holles/Holda´s magische Begleiter****, wie z.b. der Storch oder der Marienkäfer wurden dann kurzerhand der christlichen Maria zugeordnet. Ein alter Kinderreim besagt „Storch, Storch, Steine, mit dem langen Beine, mit dem kurzem Knie! Jungfrau Marie hat ein Kind gefunden in dem goldenen Brunnen!“ Hier finden sich also direkte Parallelen zum alten Glauben (s.o.) – und so hat die christliche Form der „jungfräulichen Maria“ die magischen Eigenschaften der Göttin Holle letztendlich übernommen. Aber zumindest wurde die so große, fruchtbare und zaubervolle Muttergöttin Holle/Holda nicht vollständig vergessen.
Wenn ich draußen in der Natur bin, den Duft der Blumen rieche und das Wasser von Seen und Flüssen glitzert in der Sonne, wenn ich die Wolken sehe, die wie Sturmtöcher mit der Holle tanzend über das Land ziehen, wenn sich die Störche auf den Wiesen und Feldern klappernd versammeln und ihr Federkleid in der Sonne glänzt (ihre Farben rot, weiß und schwarz sind ebenfalls der Holle zugeordnet), wenn mächtig tosende Gewitterwolken über den Himmel stürmen, mit Blitz und lautem Donner, dann verstehe ich, begreife ich, wie macht- und kraftvoll unsere Muttergöttin Holle ist.
Und das ist einfach magisch.
Hier auf Hexenworte:
*-Wolkengöttin und Wetterzauber
**-Zauberbrauch der Zwölfnächte oder Rauhnächte
***Frauenkräuter&Fruchtbarkeitsmagie
****Aberglaube und Zauberkraft der Hexentiere (1&2)
Linksempfehlungen:
ArteDea .net; Göttin Holle
patriachatskritische Geschichte und Göttinnen unter
herstory-history.com
Fotos: (c) Hexenworte
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